Donnerstag, 30. Mai 2013

Zahl der Hartz IV-Aufstocker geschönt

Aufstocker-Statistik der Bundesagentur für Arbeit berücksichtigt Kinderzuschlag nicht
Im vergangenen Jahr haben 1,3 Millionen sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer ihr Gehalt mit Hartz IV-Leistungen aufgestockt. Das geht aus der offiziellen Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) hervor. Dabei werden jedoch zehntausende Familien, die den Kinderzuschlag bekommen, nicht mit eingerechnet.
Immer mehr Familien sind auf Hartz IV-Kinderzuschlag angewiesen
Die Zahl der Arbeitnehmer, die trotz einer Teil- oder Vollzeitstelle ihr Gehalt mit Hartz IV aufstocken müssen, ist deutlich höher als bisher bekannt war. Denn in der Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) wurden Bezieher des Kinderzuschlags nicht berücksichtigt. Die Zahl der 1,3 Millionen Aufstocker muss um Zigtausende Familien ergänzt werden, deren Gehalt knapp unter der Hartz IV-Grenze liegt. Einer Anfrage der Linken-Bundestagsabgeordneten Sabine Zimmermann bei der BA zufolge waren im April 2013 77.248 Familien mit 205.921 Kindern auf den Kinderzuschlag angewiesen.
Mit dem Zuschlag von maximal 140 Euro wird das Gehalt bis zur Hartz IV-Bedarfsschwelle aufgestockt. Angaben der BA zufolge werden pro Kind etwa 110 Euro gezahlt. Um den Kinderzuschlag zu erhalten, muss das Einkommen von Elternpaaren mindestens 900 Euro und von Alleinerziehenden 600 Euro betragen. „Es ist traurige Realität in Deutschland, dass Hunderttausende Kinder auf Hartz-IV-Niveau leben, obwohl ihre Eltern arbeiten. Das Aufstocker-Problem ist noch größer als bekannt, wie das Ausmaß und die Entwicklung des Kinderzuschlags zeigen“, erklärte Zimmermann gegenüber der „Berliner Zeitung“. Dass die Regierung einen Mindestlohn verweigere und stattdessen Billigjobs fördere, sei nicht akzeptabel.
Dabei ist die Zahl der Familien, die auf den Kinderzuschlag angewiesen sind, in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Während im Dezember 2007 vor der Reform noch 11.295 Familien betroffen waren, lag die Zahl ein Jahr später schon bei 50.026 Familien, und im Dezember 2012 benötigten sogar 76.307 Familien den Kinderzuschlag. Wie Zimmermann erläuterte, lege die tatsächliche Zahl sogar noch deutlich höher, da in der Statistik nur Familien berücksichtigt würden, die den Zuschlag laufend erhielten. Andere Fälle seien nicht eingerechnet worden, in denen die Aufstockung nachträglich für eine begrenzte Dauer gezahlt wurde. Angaben der BA zufolge wurden seit 2005 über zwei Milliarden Euro für Aufstockungen im Rahmen des Kinderzuschlags ausgegeben. (ag)

Quelle:http://www.gegen-hartz.de/nachrichtenueberhartziv/zahl-der-hartz-iv-aufstocker-geschoent-9001453.php

Dienstag, 21. Mai 2013

Hartz IV Klagen lohnen sich

Klageflut an den Sozialgerichten aufgrund der Hartz IV-Gesetze weiterhin auf hohem Niveau

Trotz Beschwörungen der Bundesagentur für Arbeit ebbt die Zahl der Widersprüche und Hartz IV Klagen vor den Sozialgerichten durch Arbeitslosengeld II Bezieher nicht ab. Dabei ist die Erfolgsquote für die Kläger noch immer überdurchschnittlich hoch. Beinahe jede zweite Klage wird vor den Sozial- und Landessozialgerichten teilweise oder vollständig stattgegeben. Auf eine Anfrage der Bundestagsfraktion „Die Linke“ bestätigte das Bundesarbeitsministerium die Rate von 44 Prozent erfolgreicher Klagen. Nur jede zehnte Klage werde durch ein Gericht abgewiesen. 45 Prozent der Klagen werden beispielsweise durch Einigungen oder Einlenken ohne Urteil erfolgreich beendet. Widersprüche werden in 35 Prozent der Fällen seitens der Jobcenter bestätigt.
Das Arbeitsministerium betonte, dass die Zahlen vom Oktober 2012 stammen. Allerdings ist die Zahl der Klagen seit dem nicht gesunken. Im April 2013 wurden laut Berechnungen der Bundesagentur für Arbeit 198.886 Widersprüche und 202.800 Klagen eingereicht.
Kipping: Im Zweifelsfall für den Antragsteller entscheiden
Für die Co-Vorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping, steht fest, dass die erfolgreichen Klagen vor allem eines ausdrücken: Dass „ein schlechtes Gesetz schlecht angewendet wird". Hinter den Zahlen stehen Schicksale, betont Kipping. „Die menschliche Dimension ist erschütternd", sagte die Politikerin der Zeitung "Die Welt". Um das Problem zu bändigen, gebe es mindestens zwei Lösungsansätze: Erstens müssen alle Sanktionen im Hartz-IV-System abgeschafft werden, "damit niemand wegen einem Fehler vom Amt einer existenziellen Bedrohung ausgesetzt ist". Zweitens forderte sie eine "Rechtsstaatsgarantie" in den Jobcentern. "Das heißt: Im Zweifelsfall muss zugunsten der Antragsteller entschieden werden."
Im letzten Jahr wurden die Eine-Million-Grenze bei den Sanktionen überschritten. Noch nie wurden derart viele Leistungskürzungen gegen Hartz IV Bezieher seitens der Jobcenter ausgesprochen. Die meisten Strafen wurden aufgrund sogenannter Meldeversäumnisse verhängt. Hier betrug der Anteil 70 Prozent. Die BA hat angekündigt künftig sogenannte „Erinnerungs-SMS“ anzubieten, damit Termine nicht mehr vergessen werden. An den Sanktionen wollen man aber festhalten.
Viele Sozialgerichte versinken geradezu unter den Aktenbergen. Nach einem Klageantrag dauert es immer länger bis eine Verhandlung stattfindet. Allein das Land Berlin musste seit 2006 die Zahl der Richter verdoppeln, um Arbeitsfähig zu bleiben. Die meisten Klagen und Widersprüche wurden aufgrund von Einkommens- und Vermögensanrechnungen sowie den Kosten der Unterkunft eingereicht. (sb)

Quelle:http://www.gegen-hartz.de/nachrichtenueberhartziv/hartz-iv-klagen-lohnen-sich-9001443.php

Freitag, 17. Mai 2013

Hartz IV: Herzstillstand nach Arbeitszwang

Trotz schwerer Herzerkrankung zwang ein Jobcenter zur Arbeitsaufnahme: Schon am zweiten Arbeitstag erlitt der Betroffene einen Herzinfarkt
16.05.2013
Immer wieder hatte der 48jährige Hartz-IV Bezieher Paul M. seiner Jobcenter-Sachbearbeiterin gesagt, dass er aus gesundheitlichen Gründen keine Arbeitstätigkeiten verrichten könne. Herr M. durchlebte bereits zwei schwerwiegende Herzinfarkte. Doch seine Sachbearbeiterin befand, leichte Tätigkeiten wie Fegen oder Zupfen von Unkraut, das können auch Sterbenskranke. Doch schon am zweiten Arbeitstag erlitt Herr M. einen Herzstillstand. Der Sachbearbeiterin droht nun eine Strafanzeige.
Trotz schwerer Herzerkrankung Zwang zur Arbeitsaufnahme
Herr M. ist zu 100 Prozent schwerbehindert und hatte bereits zwei Herzinfarkte. Im Jobcenter-Essen-Nord wurde ihm dennoch ein Jobangebot unter Androhungen von Sanktionen unterbreitet. Für vier Stunden pro Tag solle er Arbeiten wie Fegen und Unkraut zupfen verrichten. Herr M. versuchte seiner Sachbearbeiterin Frau K. verständlich zu machen, dass er hierfür gesundheitlich nicht in der Lage ist. Er berichtete von dem erst kürzlich durchlittenen zweiten Herzinfarkt. Selbst leichte Tätigkeiten können für ihn tödlich sein, mahnte M gegenüber der Frau. Sein Hausarzt hatte extra einen Bericht geschrieben und auf die gesundheitliche Situation aufmerksam gemacht. All das nahm die Sachbearbeiterin zwar zur Kenntnis, verwies aber auf die Empfehlungen des hauseigenen ärztlichen Dienst.
Der Ärztliche Dienst hatte Herrn M. im Februar 2013 untersucht und danach behauptet, Herr M. könne leichte bis mittelschwere Arbeitstätigkeiten ausüben. Für die Jobcenter-Mitarbeiterin stand damit fest, dass für eine Arbeitsvermittlung nichts im Wege steht. Herr. M bestätigte den Willen zum Arbeiten, allerdings benötige er noch etwas Zeit zur Gesundung, da der letzte Infarkt noch nicht lange her sei. Doch Frau K. drängte zur Arbeitsaufnahme. Wenn er die Arbeit nicht annehme, drohen „rechtliche Konsequenzen“, sprich Kürzungen der Hartz IV-Leistungen.
Aus Angst vor Hartz IV-Kürzungen unterschrieben
Weil Herr M Angst vor den Sanktionen hat, unterschrieb er unter Vorbehalt die Eingliederungsvereinbarung. Kurze Zeit später trat er den Arbeitsdienst an. Schon am zweiten Tag berichtete Herr M über schwerwiegende Symptome wie Schmerzen im linken Arm. Er schaffte noch gerade so den Weg zum Vorarbeiter um ihm zu sagen, dass er gleich einen Herzinfarkt erleide. Kurz darauf erlitt Herr M einen Herzstillstand. Der alarmierte Notarzt konnte Herrn M. wieder reanimieren. Wäre es dem Arzt nicht gelungen, so wäre der erzwungene Arbeitsdienst eine Hartz IV Vermittlung in den Tod. (sb)

Quelle:http://www.gegen-hartz.de/nachrichtenueberhartziv/hartz-iv-herzstillstand-nach-arbeitszwang-9001440.php

Mittwoch, 15. Mai 2013

Hartz IV Behörden schnüffeln in Kontodaten

Immer mehr Behörden rufen Kontodaten von Hartz IV-Beziehern, Bafög- und Wohngeldempfängern ab
14.05.2013
Seit Einführung der automatischen Kontoabrufe im Jahr 2005 fragen immer mehr Sozialbehörden Kontodaten von Hartz IV-Beziehern, Bafög- und Wohngeldempfängern ab, wenn diese sich weigern, Auskunft über ihre Vermögensverhältnisse zu geben. Laut „Bild“ ist die Zahl der Kontoabrufe durch Behörden im vergangen Jahr um mehr als 25 Prozent gestiegen. Die Vorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping, fordert ein Ende der „staatlichen Schnüffelwut“.
Konto-Stammdaten werden an Behörden herausgegeben
Unter Berufung auf eine Statistik des Bundeszentralamtes für Steuern berichtet „Bild“ in ihrer Dienstagsausgabe von 72.578 automatischen Kontoabrufen durch Behörden im vergangen Jahr. Insgesamt habe es seit Einführung der automatisierten Kontodatenabrufe im Jahr 2005 bereits 333.652 Auskunftsersuche dieser Art gegeben. Vor allem die Kontodaten von Hartz IV-Beziehern, Bafög- und Wohngeldempfängern werden häufig von den Sozialbehörden abgefragt, wenn diese keine Angaben über ihr Vermögen oder ihre Konten machen. Seit Anfang 2013 dürfen auch Gerichtsvollzieher von den automatisierten Kontoabrufen gebrauch machen.
Wie „n-tv“ berichtet bleiben die Umsatzentwicklung und der Kontostand bei der Abfrage der Kontodaten zwar geheim, jedoch werden Informationen darüber bekannt, wo der Betreffende Giro-, Spar- und Kreditkonten sowie Depots besitzt. Zudem werden die Kontonummer, das Datum der Kontoeröffnung sowie Namen und Geburtsdaten der Inhaber und Verfügungsberechtigten herausgegeben. Auch Informationen über aufgelöste Konten, deren Kündigung weniger als drei Jahre zurückliegt, werden den Behörden mitgeteilt.
Katja Kipping gegen „staatliche Schnüffelwut“
Katja Kipping, Vorsitzende der Linkspartei, kritisierte im Interview mit „Neues Deutschland“ die „staatliche Schnüffelwut gegen Menschen in Armut“. Bezieher von Sozialleistungen seien „Freiwild für staatliche Schnüffler“, kommentierte Kipping die Medienberichte über Sozialbehörden, die immer häufiger Kontodaten der Empfänger von staatlichen Sozialleistungen abrufen. Obwohl immer weniger Menschen Hartz IV beantragen würden, explodiere „die Zahl der Kontenabfragen“, so die Politikerin. Kipping forderte „Aufklärung darüber, wie oft ohne konkreten Verdacht Konten von Sozialleistungsbeziehenden ausspioniert wurden und zweitens ein Ende der Schnüffeleien und Sanktionen im Hartz IV-System“. (ag)

Bild: Rainer Sturm / pixelio.de

Quelle:http://www.gegen-hartz.de/nachrichtenueberhartziv/hartz-iv-behoerden-schnueffeln-in-kontodaten-9001436.php

Samstag, 4. Mai 2013

Hartz IV: Zwang zur Frühverrentung

Immer mehr ältere Hartz IV Bezieher werden zur vorzeitigen Zwangsrente genötigt
03.05.2013
Die Arbeitslosenzahlen müssen trotz steigender Arbeitslosigkeit nach unten gedrückt werden. Um dieses zu erreichen, verwendet die Bundesagentur für Arbeit (BA) im Auftrag der Bundesregierung verschiedene statistische Tricks. So gelten beispielsweise Erwerbslose, die einen Weiterbildungskurs antreten, nicht mehr als „Arbeitslose“, obwohl sie noch immer keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung gefunden haben. Ein weiteres Mittel ist die sogenannte Zwangsverrentung. Die vorzeitige Verrentung scheint das neue „Zaubermittel“ der Jobcenter zu sein, um die Arbeitslosenstatistik weiter frisieren zu können. Der Rechtsanwalt Jan Häußler sieht in der Praxis der Hartz IV-Behörden ein rechtswidriges Verhalten.
Nach Angaben des Fachanwalts für Sozialrecht, Jan Häußler, mehren sich Fälle , in denen das Jobcenter Essen ältere Hartz IV-Bezieher vorzeitig mit zum Teil erheblichen Abschlägen in die Rente drängen wollen. „Hierbei wird zum Teil auf „brutalst mögliche“ Art vorgegangen. Die Leistungsberechtigten erhalten einen Bescheid, dass Ihnen keinerlei Leistungen mehr ausgezahlt werden bis die Mitwirkungshandlung nachgeholt wird“, berichtet der Anwalt.
Betroffen: Nach 1950 Geborene
Dass diese Fälle von Zwangsverrentung nunmehr gehäuft auftreten, hat den Grund, dass Menschen die vor 1950 geboren sind, übergangsweise einen besonderen Schutz vor der vorzeitigen Verrentung genossen. Nun aber kommen die Menschen, die heute von Sozialhilfe bzw. Hartz IV abhängig sind und nach 1950 geboren wurden in das Alter, wo dieser Schutz vor der vorzeitigen Rente nicht mehr wirkt. Diese ist möglich ab dem 63. Lebensjahr. „In den mir vorliegenden Fällen ging das Jobcenter schematisch vor und forderte zur Stellung des Rentenantrag auf. Andernfalls würde das Jobcenter selbst den Rentenantrag für den Leistungsberechtigten stellen. Von daher ist der Begriff Zwangsverrentung durchaus zutreffend“, so der Fachanwalt für Sozialrecht.
Rechtswidrige Aufforderungen seitens der Jobcenter
Doch diese Vorgehen der Jobcenter entspricht nicht der Rechtsauffassung und Rechtsprechung mehrerer Landessozialgerichte. Diese verlangen nämlich, dass sich ein Leistungsträger vor einer solchen Aufforderung zum Rentenantrag mit dem Einzelfall beschäftigen und zudem Ermessen ausüben. „ Die Konsequenz ist also, dass die Aufforderungen des Jobcenters regelmäßig rechtswidrig sind und aufgehoben werden müssen“, so Häußler.
Für Betroffene ist es wichtig, sich gegen den Aufforderungsbescheid im Rahmen der Widerspruchsfrist entsprechend zu wehren. Wer die vorzeitige Rente in Anspruch nimmt, muss teilweise mit massiven Abschlägen rechnen. Diese bleiben dauerhaft auch ab dem „normalen Rentenalter“ bestehen. Betroffene sollten daher einen Rechtsanwalt aufsuchen oder eine unabhängige Beratungsstelle aufsuchen. Alternativ kann auch im Hartz IV Forum nachgefragt werden. (wm)

Quelle:http://www.gegen-hartz.de/nachrichtenueberhartziv/hartz-iv-zwang-zur-fruehverrentung-9001426.php