Donnerstag, 28. Mai 2015

Gericht: Hartz-IV-Sanktionen verfassungswidrig

Sozialgericht Gotha: Hartz-IV-Sanktionen verfassungswidrig
Ein Licht am Ende des Tunnels: Das Sozialgericht Gotha (15. Kammer) hat in einem aktuellen Urteil der Klage eines Hartz IV-Beziehers stattgegeben und die Sanktionen im Hartz IV System für verfassungswidrig beurteilt. „Die Klage wird an das Bundesverfassungsgericht geleitet“, sagte ein Prozessbeobachter. „Damit wird dem Bundesverfassungsgericht erstmals diese Frage von einem Sozialgericht vorgelegt“, sagte ein Sprecher des Gerichts. (Az: S 15 AS 5157/14)

Die Menschenwürde wird verletzt
Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass bei einer Sanktion aufgrund der Nichteinhaltung eines Jobcenter-Termins oder bei abgelehnten Jobangeboten die Menschenwürde verletzt wird, wenn es im Nachfolgendem zu Leistungskürzungen kommt. Das Existenzminimum ist in der Verfassung verankert. Der Staat müsse demnach dafür Sorge leisten, dass das Existenzminimum zu jeder Zeit- also auch bei verpatzten Terminen oder abgelehnten Jobs- garantiert sei. Das gehöre zur Menschenwürde, die unantastbar sei, so das Gericht. Zudem sehen die Richter einen Verstoß gegen die Berufsfreiheit.
Die Richter bezweifeln, dass Hartz IV Strafen mit der im Artikel 1 festgeschriebenen Unantastbarkeit der Menschenwürde sowie der im Artikel 20 festgeschriebenen Sozialstaatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland vereinbar sind. „Aus diesen Artikeln ergeben sich ein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums, das bei einer Kürzung oder kompletten Streichung des Arbeitslosengeldes II gefährdet ist“, so das Gericht. Auch die Artikel 2 und 12 des Grundgesetzes würden angetastet, weil auch die Gesundheit des Sanktionierten gefährdet werden könnte. Doch gerade das Grundgesetz soll die Unversehrtheit des Menschen gewährleisten.
Zwei Sanktionen in Folge
In dem verhandelten Fall hatte ein erwerbsloser Hartz IV Bezieher zunächst ein Jobangebot seitens des Jobcenters abgelehnt. Daraufhin wurde dem Kläger das Arbeitslosengeld I im ersten Schritt um 30 Prozent (117,30 Euro) gekürzt. Danach sollte der Leistungsberechtigte ein Probearbeit bei einem weiteren Arbeitgeber absolvieren. Wegen dieser im SGB II verankerten erneuten „Pflichtverletzung“ erneut um 30 Prozent gekürzt. Demnach kürzte die Behörde die Leistungsbezüge um insgesamt 234,60 Euro.
Noch weitere Verfahren anhängig
Das Bundesverfassungsgericht hat nach eigenen Angaben einige weitere Verfahren in der Sache vorliegen. Ob die Sanktionen gegen die Verfassung verstoßen, darüber haben die Karlsruher Richter noch nicht entschieden. Allerdings gab es ebenso viel Hoffnung bei der Hartz IV Regelleistungen, die nach Meinung vieler Experten ebenfalls verfassungswidrig sind. Hier hatte allerdings das Bundesverfassungsgericht zugunsten des Gesetzgebers argumentiert. Es gebe bei der Berechnung der Regelleistungen „Gestaltungsspielraum“ hieß es in einem 2010 gefällten Urteil. Zuvor hatte das Gericht die Regelleistungen als verfassungswidrig eingestuft. Daraufhin musste der Gesetzgeber nachbessern.
Ende April hatte das Bundessozialgericht geurteilt, dass ein Kürzung um bis zu 30 Prozent verfassungsgemäß sind. Allerdings können bei wiederholten „Verstößen“ bis zu 100 Prozent gekürzt werden. In nicht wenigen Fällen wurden Betroffene bis zur Obdachlosigkeit sanktioniert, nachdem auch die Miete nicht mehr gezahlt wurde. Das Gericht in Gotha bestätigte, dass mit diesem Urteil „Neuland“ getreten würde.
Aussetzung von Sanktionen beantragen
In Hinblick auf dieses Urteil können Sanktionierte in Widerspruchsverfahren mit Verweis auf das Urteil von Gotha gehen und mindestens eine Aussetzung der Sanktion einfordern, bis das Bundesverfassungsgericht ein entsprechendes Urteil gefällt hat. Dazu muss das Aktenzeichen angegeben werden: S 15 AS 5157 / 14
(sb)
Bild: kamasigns/fotolia
Quelle:http://www.gegen-hartz.de/nachrichtenueberhartziv/gericht-hartz-iv-sanktionen-verfassungswidrig-90016576.php

Samstag, 23. Mai 2015

Eine Ebay-Anzeige als Zeichen gegen Hartz IV

"Der Erlös geht an die Hartz IV-Parteien"
23.05.2015
Zunächst ist nichts ungewöhnliches an der Ebay-Anzeige zu erkennen. Wie gewohnt können Bieter ein Produkt ersteigern. Hier sind es Sportschuhe der Marke Puma. Doch in der Artikelbeschreibung ist eine persönliche Abrechnung mit dem Hartz IV System zu lesen. Der Anbieter beschreibt voller Frust und Enttäuschung seine ganz persönlichen Erfahrungen mit der bitteren Armut und den Drangsalieren des Hartz IV-Systems.

Der Anbieter „asigimcabbar“ verkauft die Fußballschuhe seines Sohnes. Die Schuhe seien selten getragen und werden verkauft, weil diese zu klein sind. Bis dahin eine recht normale Beschreibung des Artikels. Doch schon beim zweiten Satz wird der potenzielle Käufer stutzig. Der Erlös durch den Verkauf soll an die Parteien gehen, die Hartz IV ermöglicht haben. Auch die Gewerkschaften werden als Adressaten genannt. Damit wolle der Verkäufer ein Zeichen setzen: „Gegen Hartz 4, gegen Menschenhandel und Hungerlöhne“. Schließlich ist „die Anzeige mein Leben“.
Aber nicht nur Statements sind zu lesen. Im weiteren beschreibt der Ebay-Verkäufer seine ganz persönliche (Leidens-)Geschichte. Demnach sei er 44 Jahre alt und Vater von 3 Kindern. Alles lief gut, bis der gelernte Gießer vor sechs Jahren seine Stelle verlor. Danach folgte ein Odyssee aus Weiterbildungen, Umschulungen und Maßnahmen. Alles half jedoch nichts. Einen erneuten Arbeitsplatz war nicht zu finden.
Für seine schlechte Rechtschreibung entschuldigte „asigimcabbar“. Es spreche jedoch aus seiner Seele. Er nehme in Kauf sich zu blamieren, aber er wolle sein Leid loswerden. Die Lebensgeschichte findet sich auf dieser Ebay-Seite. Bislang sind 40 Gebote eingegangen. 40 Gebote gegen Hartz IV. (sb)

Quelle:http://www.gegen-hartz.de/nachrichtenueberhartziv/eine-ebay-anzeige-als-zeichen-gegen-hartz-iv-90016568.php

Sonntag, 3. Mai 2015

PayPal: Bald Datenweitergabe an Jobcenter!

PayPal: neuer Datenschutz erlaubt ab 1. Juli 2015 Datenweitergabe an Jobcenter
02.05.2015
Der Internet-Bezahldienst "PayPal" wird ab 1. Juli 2015 sowohl seine AGB als auch Datenschutzgrundsätze ändern. Der Punkt 7. Offenlegung gegenüber Dritten außer PayPal-Kunden erlaubt es PayPal dann, alle unter 6. der neuen PayPal-Datenschutzgrundsätze genannten Informationen auf Anfrage an jede beliebige Behörde weiterzuleiten, bei denen, Zitat:

"wir begründet davon ausgehen können, dass es für uns angemessen ist, diese bei ihren Nachforschungen zu Betrug und anderen illegalen oder potenziell illegalen Aktivitäten ... zu unterstützen."
Dazu reicht es, dass das Jobcenter darlegt, dass der Kunde das Konto verschwiegen hat, oder es Transaktionen mit dem Ziel von Sozialleistungsmissbrauch vermutet. Diese Datenweitergabe umfasst alle Kontoinformationen, Zitat:
"Name, Adresse, E-Mail-Adresse, Telefonnummer, Benutzername, Foto, IP-Adresse, Geräte-ID, Standortdaten, Kontonummern, Kontoarten, Angaben zu den mit dem Konto genutzten Zahlungsinstrumenten, Details der Zahlungsvorgängen, Details zu geschäftlichen Zahlungen, Kundenangaben und -berichte, Kontovoreinstellungen, Angaben zur Identität, die im Rahmen unserer "Know Your Customer"-Prüfungen erfasst wurden und Kundenkorrespondenz."
D.h. das PayPal jedem Jobcenter auf entsprechende Anfrage mitteilt, ob die betreffende Person ein PayPal-Konto besitzt, welche Informationen dort hinterlegt wurden und wofür das Konto benutzt wurde (rückwirkend bis zur Kontoeröffnung), inkl. aller Details zu sämtlichen gespeicherten Zahlungsvorgängen und verbundenen Konten, Kreditkarten etc.
Die gesetzlichen Einschränkungen, die beim Kontendatenabruf deutscher Banken gelten (§ 93 Abs. 8 Abgabenordung), greifen hier nicht, da man als PayPal Kunde dieser Datenweitergabe per se zustimmt. De facto wird damit das Bankengeheimnis in Deutschland komplett umgangen. Wer das verhindern will, muss sein PayPal-Konto vor dem 1. Juli schließen. (fm)

Bild: Andreas Morlok / pixelio.de

Quelle:http://www.gegen-hartz.de/nachrichtenueberhartziv/paypal-bald-datenweitergabe-an-jobcenter.php