Mittwoch, 24. Februar 2016

Sozialhilfe: Altersbedingter Zuschuss

Haben Sozialhilfebezieher im Rentenalter Kosten wegen „altersbedingter Schwierigkeiten“, können sie Anspruch auf eine zusätzliche, vom Sozialamt gezahlte Altenhilfe haben. Dies gilt selbst dann, wenn im regulären Sozialhilfesatz der einzelne Bedarf bereits berücksichtigt ist und ein solcher Bedarf auch bei jüngeren Menschen bestehen kann, urteilte am Mittwoch, 24. Februar 2016, das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel (Az.: B 8 SO 11/14 R). Ob tatsächlich wegen „altersbedingter Schwierigkeiten“ eine Altenhilfe beansprucht werden kann, müsse das Sozialamt im jeweiligen Einzelfall prüfen.

Nach dem Gesetz können alte, mittellose Menschen die sogenannte Altenhilfe erhalten, wenn diese dazu beiträgt, „Schwierigkeiten, die durch das Alter entstehen, zu verhüten, zu überwinden oder zu mildern“. So soll ihnen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft erleichtert werden. Als Leistungen sind hier insbesondere Besuche zu Veranstaltungen oder Einrichtungen genannt, die der Geselligkeit oder auch den kulturellen Bedürfnissen alter Menschen dienen. Auch die Verbindung mit „nahestehenden Personen“ soll mit der Altenhilfe ermöglicht werden.
Darauf pochte im konkreten Fall der in Wiesbaden mit seiner Ehefrau und einem Enkel in häuslicher Gemeinschaft lebende Kläger. Seit Juli 2007 bezieht der 1940 geborene schwerbehinderte Mann vom Sozialamt Grundsicherung im Alter. Zusätzlich verlangte er eine Altenhilfe. Diese solle schließlich nach dem Willen des Gesetzgebers altersbedingte Aufwendungen abmildern. Einzige Voraussetzung für den Erhalt der Altenhilfe sei nach dem Gesetzeswortlaut, dass man alt ist. Zweck der Altenhilfe sei es unter anderem, die Einsamkeit von alten Menschen abzumildern.
Konkret wollte der Mann mit der Hilfe das Grab seiner Eltern in Oberfranken und die dort lebende behinderte Nichte besuchen. Auch Besuche beim Bruder in Hagen sollten so möglich gemacht werden. Schließlich wolle er den Besuch kultureller Veranstaltungen wahrnehmen. Dadurch würden letztlich monatlich Fahrtkosten für 1.000 Kilometer anfallen. Insgesamt verlangte er zusätzlich zu seiner Grundsicherung im Alter weitere 200 Euro an Altenhilfe monatlich.
Die Stadt Wiesbaden gewährte jedoch nur knapp 150 Euro pro Jahr für Besuche bei seiner behinderten Nichte.
Das Hessische Landessozialgericht (LSG) sah überhaupt keinen Grund, dem Kläger Altenhilfe zu gewähren. Denn es handele sich hier nur um Leistungen, die nicht von der regulären Sozialhilfe umfasst sind und nur auf altersbedingte Aufwendungen zurückgehen. Grab- und Verwandtenbesuche seien aber Bedürfnisse, die auch jüngere Menschen haben könnten. Der Besuch kultureller Veranstaltungen sei ebenfalls vom Regelsatz abgedeckt.
Auch das BSG sah keinen Anspruch auf Altenhilfe, allerdings mit einer anderen Begründung. Zweck der Altenhilfe sei es laut Gesetz, „altersbedingte Schwierigkeiten“ abzumildern. Alten, bedürftigen Menschen solle so die Möglichkeit gegeben werden, am Leben in der Gemeinschaft mehr teilzuhaben, um nicht zu vereinsamen. Dabei könnten – anders als das LSG meint – aber auch Bedarfe geltend gemacht werden, die auch bei Jüngeren bestehen und bereits im regulären Regelsatz berücksichtigt wurden.
Ob „altersbedingte Schwierigkeiten“ bestehen, für die eine Altenhilfe gezahlt werden kann, müsse im Einzelfall geklärt werden. Die Behörde habe hier eine Ermessensentscheidung zu treffen.
Bei dem Kläger liegen jedoch gar keine „altersbedingten Schwierigkeiten“ vor, urteilte der 8. BSG-Senat. Er lebe mit Ehefrau und Enkel zusammen und sei in ein soziales Netz eingebunden. Eine Isolation drohe nicht. Allein der Besuch des Elterngrabes gehöre ebenfalls nicht zu altersbedingten Schwierigkeiten, für die das Sozialamt mit einer Altenhilfe aufkommen müsse.fle/mwo

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Quelle:http://www.gegen-hartz.de/nachrichtenueberhartziv/sozialhilfe-altersbedingter-zuschuss.php

Montag, 8. Februar 2016

Sogar lebenslange Hartz IV Sanktionen?

Am Wochenende berichteten wir darüber, dass die Bundesregierung im Zuge der sogenannten "Hartz IV Rechtsvereinfachungen" Sanktionen gegen Arbeitslosengeld II Bezieher erheblich ausweiten will. Zunächst fanden wir raus, dass die Sanktionen bis zu vier Jahre reichen können. Wie wir aber nach nochmaliger Prüfung feststellen mussten, ist die hier geschilderte Änderung deutlich weitreichender, als zunächst angenommen. Tatsächlich wird damit die Voraussetzung für eine Sanktion bis zum Tod - und darüber hinaus - geschaffen.

Zunächst ist die Bezifferung des Erstattungsanspruches nur für die Dauer des aktuellen Bewilligungszeitraumes und auch erst nach Ablauf desselben möglich, da erst dann der tatsächliche Schaden feststeht.
In Folgezeiträumen von daran anschließenden ALG II Weiterbewilligungen kann das Jobcenter für die Leistung des neuen Bewilligungszeitraumes, aber immer erst nach Ablauf desselben, ebenfalls einen Erstattungsanspruch geltend machen. Dies ist tatsächlich zeitlich unbegrenzt möglich, sofern das Jobcenter den Schaden beweisen kann.
Jeder so festgestellte Erstattungsanspruch unterliegt dann der 10jährigen Verjährungsfrist des § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB.
Praktisch kann das Jobcenter bis zum Tod des ALG II Beziehers Erstattungsansprüche feststellen und aufrechnen, selbst noch aus dem Nachlass desselben einfordern. Damit wird also eine lebenslange Sanktion eingeführt. Die Überschrift müsste also eigentlich lauten: "Bundesregierung will ALG II Empfänger künftig bis zum Tod sanktionieren". (fm)

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Quelle:http://www.gegen-hartz.de/nachrichtenueberhartziv/sogar-lebenslange-hartz-iv-sanktionen.php

Samstag, 6. Februar 2016

ALG II: Künftig 4 Jahre Hartz IV Sanktionen!

Hartz IV: Die Bundesregierung will ALG II Empfänger künftig 4 Jahre lang sanktionieren

Jede Sanktion, welche aufgrund der Nichtannahme einer zumutbaren Arbeit erfolgt, löst ab 01.08.2016 (geplantes in Kraft treten dieser Änderung) automatisch einen Rückforderungs- und Aufrechnungsanspruch in Höhe des bei Jobannahme (mehr) zugeflossenen anrechenbaren Einkommens aus. Und das für die Dauer von bis zu 4 Jahren. Damit erfolgt auch eine Doppelbestrafung: zuerst 3 Monate Sanktion i.H.v. 30% der Hartz IV Regelleistung, und danach bis zu 4 Jahre Aufrechnung der nicht verminderten Bedürftigkeit i.H.v. 30% der Regelleistung. Damit wird die Dauer einer solchen Sanktion de facto auf bis zu 4 Jahre verlängert.
HintergründeMit der geplanten Änderung des SGB II (9. SGB II-ÄndG) wird die Möglichkeit geschaffen, eine eventuelle Verringerung des ALG II Bedarfes, die möglicherweise eingetreten wäre, wenn der Betroffene das sanktionierte Verhalten nicht gezeigt hätte, mittels Aufrechnung mit dem laufenden ALG II zurückzufordern (9. SGB II-ÄndG , Art. 1 Nr. 27).

Dieser Rückforderungsanspruch verjährt erst nach längstens 4 Jahren (§ 34 Abs. 3 S. 1 SGB II). Zwar setzt dieser Rückforderungsanspruch sozialwidriges Verhalten voraus, allerdings hat das Bundessozialgericht (B 14 AS 55/12 R) bereits festgestellt, dass bei Sanktionen nach § 31 SGB II sozialwidriges Verhalten vorliegt. Die Sanktion selbst stellt damit bereits den Beweis für sozialwidriges Verhalten dar und schafft damit die Voraussetzung für diesen Rückforderungsanspruch, der mit einem Anteil von 30% der Regelsatzhöhe mit dem laufenden ALG II aufgerechnet werden darf (§ 43 Abs. 1 Nr. 2 SGB II).

Zwar besteht für das Jobcenter dann immer noch das Problem, dass es den Beweis führen muss, dass die/der Sanktionierte vom Arbeitgeber tatsächlich eingestellt und bezahlt worden wäre, sowie die mögliche Dauer der Beschäftigung belegen muss, aber in der Praxis wird dieser Beweis erst in einem sozialgerichtlichen Klageverfahren relevant. Es steht zu befürchten, dass den Jobcentern in der Mehrzahl die bloße Vermutung reicht. (fm)


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Quelle:http://www.gegen-hartz.de/nachrichtenueberhartziv/alg-ii-kuenftig-4-jahre-hartz-iv-sanktionen.php