Hin und wieder erreichen mich Anrufe, die ich für einen Tageskommentar oder für einen Pranger nutzen kann. Natürlich ohne Namensnennung, es genügt, wenn ich die Begeisterung und Dankbarkeit unserer Obrigkeit auf mich lenke. Der Anrufer hat mir einige Zahlen genannt, nüchterne Zahlen, die in den Nachrichten nicht vorkommen, bestenfalls einen kurzen Einspalter in den Lokalblättern abwerfen. Es ist ja kein Robert Enke, der sich da vor den Zug geworfen hat, sondern ganz normale Mitmenschen. Im Bereich jeder Bahndirektion (oder wie immer das im Zuge der Demontage der Bahn heute heißen mag) haben sich im vergangenen halben Jahr schon Menschen in zweistelliger Anzahl vor die Züge geworfen, um ihrem Leben ein Ende zu setzen.
Jeder Lokomotivführer wird statistisch im Lauf seiner Dienstjahre auf diese Weise zum mehrfachen Selbstmord-Gehilfen. Er fährt auf Schienen, er kann nur bremsen, nicht ausweichen. Und bremsen mit tausenden Tonnen im Rücken dauert zu lange, um dem Selbstmörder eine Chance zu lassen. Ich frage mich, wie ein Mensch damit fertig wird, wenn er jeden Tag mit dem Wissen die Arbeit antritt, daß heute wieder ein Verzweifelter auf den Gleisen stehen kann, oder ihm vor die Lok springen wird.
Ich weiß nur, daß die Kanzlerin das sehr gut wegsteckt. Was die damit zu tun hat? Es gibt für alles eine Ursache, die für einen Selbstmord ist Hoffnungslosigkeit. Sicher, auf Liebeskummer hat Merkel keinen Einfluß, und wenn sich ein Mann umbringt, weil ihm die Frau davongelaufen ist, dann trifft die Politik nur eine Teilschuld. Ob es ein Drittel der namenlosen Selbstmörder ist, oder ob es drei Viertel sind - wirtschaftliche Gründe sind oft genug der Anlaß. Darauf, auf die wirtschaftliche Situation, hat die Politik Einfluß.
Selbst die Wirtschaft ist nur ein Teilaspekt, arme Leute gab es zu allen Zeiten. Armut ist bestenfalls ein Grund für frühes Sterben, aber kein Grund, sich umzubringen. Der wirkliche Grund ist Verzweiflung, ein so starker Zweifel an einer besseren Zukunft, daß er jegliche Hoffnung nimmt und damit den Lebensmut.
Die Erkenntnis, daß sich menschliches Leben auf Hoffnung gründet, mag banal erscheinen, trivial ist sie nicht. Ich mache jetzt meine Tischlerlehre, gehe als Geselle auf die Walz, wenn ich nach Hause zurückkehre, heirate ich die Luise, arbeitete tüchtig, um meine Kinder zu ernähren, und mache schließlich meinen Meisterbrief. So mag sich ein Junge um 1870 sein Leben geplant haben und vermutlich hat er es geschafft, diesen Lebensplan umzusetzen. Es gab immer ein Ziel, auch wenn es länger gedauert haben mag und unvorhersehbare Schwierigkeiten aufgetaucht sind. Rückschläge gehören dazu, auch ein paar Stunden der Verzweiflung, dann sind die Leute mit neuem Mut weitergeschritten, haben ihre Ziele schließlich erreicht.
Oh, nicht immer, auch damals gab es schon Leute, die sich vor dem Zug geworfen oder ertränkt haben. Es waren nur deutlich weniger Menschen, die sich aufgegeben haben.
Heute sieht es schlimmer aus. Von offizieller Seite wird keine Hoffnung verbreitet, sondern diese genommen. Die "Vorbilder" in der Politik sind alles, nur keine Vorbilder. Jeder versucht, zu raffen, was immer geht, hier ein Mandat, dort einen Posten, tunlichst alles mit Pensionsanspruch. Arbeit kennen die Politiker oft nur vom Zuschauen, nicht aus eigener Erfahrung. Wer derart ausschließlich auf das eigene Wohl bedacht ist, gibt keine Hoffnung, sorgt nicht für Lebensmut.
Sie, die selbst nichts können außer Politik, verlangen von den Menschen Flexibilität. Das Wort ist positiv besetzt, dabei bedeutet es Beugsamkeit, anders ausgedrückt: sich ins Joch beugen. Wer mit 30 seinen Arbeitsplatz verliert, bekommt bei aller Flexibilität nur noch "Zeitarbeit", schlecht bezahlte "Jobs", bei denen der Vermittler mehr kassiert als derjenige, der sich ins Joch gebeugt hat. Ein Wiederaufstieg, eine Rückkehr aus dem prekären Arbeitsverhältnis ist nicht vorgesehen, statt dessen bietet das System Hartz IV und schließlich eine Rente auf Sozialhilfeniveau.
Das sind die Perspektiven für Menschen, über welche die Eltern gesagt haben: "Meinem Kind soll es einmal besser gehen!" Am Ende des Arbeitslebens steht nicht mehr die auskömmliche Rente und der verdiente Ruhestand. Die Rentenkassen wurden von den Politikern systematisch geplündert, für Zuwanderer aus aller Herren Länder, für Wiedergutmachung an Israel, für Wahlgeschenke. Die heute lebende Rentnergeneration wird diejenige sein, die das Optimum aus der Rentenkasse bekommen hat - trotzdem nimmt die Altersarmut immer weiter zu. Auf der einen Seite Überfluß, für die Mehrzahl der Menschen Mangel.
Hartz IV ist heute das "Ziel" des Arbeitslebens. Für all jene, bei denen das Schulsystem gewollt versagt hat, steht das Ziel gleich am Anfang des Rennens, für andere kommt es nach mehr oder weniger Zeit, mit 30 oder mit 50. Die Großeltern, ja noch die Eltern, haben es geschafft, sich hochzuarbeiten. Das eigene Häuschen im Grünen, der oft formulierte Traum, war für sie noch erreichbar. Wer gewußt hatte, daß er sein Leben lang bei steigendem Lohn seine Arbeit behalten würde, konnte eine Hypothek auf 30 Jahre abschließen und abbezahlen. Wer nicht weiß, ob er in sechs Monaten noch in Lohn und Brot stehen wird, kann sich diese Hypothek nicht mehr erlauben.
Eine dynamische Gesellschaft zeichnet sich durch ihre Durchlässigkeit aus. Wir können alle mal scheitern, brauchen eine zweite und vielleicht sogar eine dritte Chance. Wer auf dem geraden Weg strauchelt, geht einen Umweg und gelangt trotzdem ans Ziel. Das ist das Muster einer Gesellschaft, die wir früher einmal gewesen sind. Wer heute in der BRD strauchelt, wird nicht mehr aufgefangen, sondern gnadenlos aussortiert.
Keine Arbeit - keine Wohnung, keine Wohnung - keine Arbeit. So beginnt der Teufelskreis. Oh, noch funktionieren die Sozialsysteme, auch wenn sie durch die politisch gewollte Zuwanderung immer weiter belastet werden. Wohnung, Kleidung und Nahrung gibt es via Hartz IV, Arbeitsministerin von der Leyen möchte diese Leute mit "Bürgerarbeit" beschäftigen. In früheren Zeiten nannte man das "Staatssklaven", die für Wohnung, Kleidung und Nahrung öffentliche Arbeiten verrichteten. Die Peitsche wird nicht mehr geschwungen, doch sonst sind die Modelle austauschbar. Die "Bürgerarbeiter" sind Leibeigene des Staates, nicht explizit, sondern weil sich das ganz einfach so ergibt. Freie Wahl der Wohnung? Nein, das wird nicht bezahlt. Freie Wahl des Wohnorts? Nur, wenn es dem Leibeigenen gelingt, Arbeit zu finden. Freie Wahl der Arbeit? Nein, denn die "Bürgerarbeit" ist Pflicht.
Das alles aber nur für Deutsche, denn gegen die eigenen Landsleute zeigt sich dieser seltsame Staat gnadenlos. Bei Zuwanderern zeigt sich dieses Gebilde viel konzilianter. Wer binnen Minuten 30 Cousins und Schwager herbeirufen kann, dem tut die Polizei nichts, der wird nicht zu Arbeiten herangezogen. Dort gibt es keine Kontrollen und keine Nachfragen, wieso der Clanchef ein teueres Auto fährt.
Wir werden zu Fremden im eigenen Land, wenn Deutsche bestimmte Stadtteile in Städten mit deutschem Namen nicht mehr betreten können, ohne in Gefahr für Hab und Gut, Leib und Leben zu geraten. Da müssen wir eben flexibel sein, uns in das Joch beugen, das uns Politiker hingestellt haben, die alles vertreten, nur nicht deutsche Interessen.
Eine solche Politik, solche Zustände kosten Leben. Direkt, indem die Menschen sich for die Züge werfen, indirekt, indem die Sorgen Lebensjahre kosten. Gewalt wird nicht in Toten gemessen, sondern in vernichteten Lebensjahren. Nach diesem Maßstab leiden wir derzeit so wie im zweiten Weltkrieg. Jedes durch Armut und Hoffnungslosigkeit ungeborene Kind schlägt mit 80 vernichteten Jahren zu Buche, jeder Selbstmörder zählt, jeder Rentner, der gramgebeugt oder durch Krebs und Herzinfarkt vor der Zeit stirbt, geht in die Rechnung ein.
Ich vergleiche das mit dem Weltkrieg, weil die meisten Deutschen erst nach diesem Weltkrieg ermordet worden sind. Der Krieg wurde uns von außen aufgezwungen, doch heute wird unseren Vorfahren und unseren Helden die Ehre aberkannt, sie werden als Verbrecher diffamiert. Die Geschichte mag für andere Völker eine Quelle des Stolzes und der Selbstachtung sein, uns wurde die Geschichte genommen. Willfährige Deutsche besorgen das Propagandahandwerk der Sieger, streuen unablässig Asche auf unsere Häupter und Salz in unsere Wunden. Dieser Trost bleibt uns folglich versagt.
Die deutsche Kultur, ein Werk der Jahrtausende, wird in den Schmutz gezogen. Oh, die Klassiker werden noch auf die Bühne gebracht, aber in moderner Inszenierung. Die Zauberflöte in der Kulisse eines Schlachthofs inszeniert, Faust auf einer Müllhalde, Die Räuber in einer Psychiatrie - die Möglichkeiten, durch eine Aufführung abzuschrecken, sind unbegrenzt. Die Spiele für die Unterschicht beziehen wir heute aus Amerika, in Form von schlechten Serien, in Form von schlechten Showformaten, in Form von "Talk" auf unterstem Niveau. Politik ist eine Veranstaltung, die im Fernsehen erklärt werden muß, in langen nichtssagenden Monologen.
Wir haben während der Fußball-Weltmeisterschaft die entfesselten Fanatiker-Horden gesehen. Vom Standpunkt des reifen Menschen mag man sich pikiert fühlen, doch es gibt wie so oft zwei Seiten. Was wir da gesehen haben, war ein Ausbruch der Hoffnung, da hatten Menschen ein gemeinsames Ziel. Wenn man schon nicht selbst auf dem Rasen steht, wenn man schon nicht selbst vor Ort die Spieler anfeuern kann, wollte man zumindest in der Gemeinschaft den Sieg erleben, den Erfolg feiern. Ein Volk in Hoffnungslosigkeit, ausgeplündert vom Rest der Welt und der eigenen Regierung, wagte es, zeitweilig auf sich selbst stolz zu sein. Deshalb durften wir nicht gewinnen, ein Weltmeistertitel hätte das Selbstbewußtsein der Deutschen gestärkt.
Also werfen wir uns auch im zweiten Halbjahr vor die Züge, denn die Situation im Land wird schlechter und hoffnungsloser. Wer oben ist, kassiert beidhändig, und wenn das noch nicht ausreicht, läßt er sich zusätzlich alle Hosen- und Jackentaschen vollstopfen. Wer es nicht nach oben geschafft hat, bei dem wird gekürzt und gespart, dafür sorgt schon die Kanzlerin. Jene Firmen, die von der Politik begünstigt werden, zahlen dafür Dividende, indem sie abgehalfterte Politiker als hochbezahlte Frühstücksdirektoren einstellen.
Wer immer die BRD betritt, ob als Reisender oder durch Geburt, soweit er Deutscher ist, sollte alle Hoffnung fahren lassen. Die Politiker wünschen den Untergang.
Das aber ist eine kurzfristige Denkweise. Das deutsche Volk gibt es seit Jahrtausenden, das Volk hat Besatzung und Unterdrückung überlebt, Hungersnot und Pest - es wird auch Zuwanderung, Fremdbestimmung und die BRD überleben. Wer sich vor den Zug wirft, begibt sich der Hoffnung auf jene besseren Zeiten, die uns nach dem Ende der BRD bevorstehen. Es wird besser werden, ja.
Wir sind jedoch in der Rolle eines Kranken, dem nur noch eine Operation helfen kann. Wir werden aufgeschnitten, ganz schwer, ja lebensgefährlich verletzt, und während die Operationswunden verheilen, wird es uns viel schlechter gehen als zuvor. Danach aber, wenn nur noch ein paar Narben an den Eingriff erinnern, geht es uns weitaus besser als zuvor. Das Leben hat an Qualität gewonnen - und wir alle die Hoffnung zurückerlangt.
Leben Sie, liebe Leser, denn nur wenn Sie leben, können Sie sich in diese neue, in diese bessere Zeit einbringen. Es lohnt sich einfach nicht, sich vor einen Zug zu werfen.
© Michael Winkler
Quelle:http://www.michaelwinkler.de/Pranger/Pranger.html