Sonntag, 18. Juni 2017

Privatsphäre / „Nichts zu verbergen“

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Immer wieder höre ich von irgendwelchen Leuten, sie hätten nichts gegen die zunehmende Überwachung, weil sie ja „nichts zu verbergen“ hätten.
Echt?
Ist das so?
Stellt euch vor, ihr geht zum Einkaufen.
Auf einmal steht irgendein Fremder neben euch, zückt seinen Notizblock und sagt:
„Erzählen Sie mir mal, was Sie gestern so den ganzen Tag gemacht haben!“
Erzählt ihr es ihm?
Einem völlig Fremden?
Natürlich nicht, ihr seid ja nicht doof.
Aber warum eigentlich nicht?
Eben hieß es doch noch, ihr hättet keine Geheimnisse und nichts zu verbergen!
Dann müsst ihr doch auch jedem beliebigen Menschen, der euch fragt, euren Tagesablauf erzählen, oder?
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Jeder Mensch hat eine Privatsphäre.
Ob man Geheimnisse hat oder nicht, ist eine Sache.
Aber ich entscheide, mit wem ich sie teile!
Selbst wenn ich keine Geheimnisse hätte, heißt das noch lange nicht, daß jeder bei mir rumschnüffeln darf.
Denn mein Leben geht einen Fremden einfach nichts an!
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Machen wir doch mal spaßeshalber einen Ausflug in die Überwachungsgesellschaft der christlichen Faschisten und überlegen uns, ob die Leute, die „nichts zu verbergen haben“ den Praxistest überstehen.
Es ist 6.30 Uhr, der Wecker klingelt.
Ihr macht ihn aus, das Licht an und da sitzt jemand neben eurem Bett und guckt euch an.
Ein völlig Fremder.
Fühlt ihr euch gut dabei?
Ihr steht auf und geht ins Bad.
Dieser fremde Mann, den ihr noch nie zuvor gesehen hat, ist immer einen Schritt hinter euch.
Ihr duscht euch und alle paar Sekunden zieht der Mann den Duschvorhang zur Seite um zu schauen, was ihr macht.
Ist das angenehm?
Nein?
Warum nicht?
Ihr habt doch nichts zu verbergen, keine Geheimnisse!
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Nach dem Duschen zieht ihr euch an, holt eure Kleidung aus den Schränken.
Bei der Gelegenheit fängt der Fremde an, eure Schränke durchzusehen und erstellt Listen mit deren Inhalt.
Denkt daran: ihr habt nichts zu verbergen, jeder darf alles über euch wissen!
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Ihr geht jetzt zur Arbeit, der Fremde immer einen Schritt hinter euch.
Mittags geht ihr zur Kantine und anschließend aufs Klo.
Der Fremde kommt natürlich mit!
Was dagegen, wenn euch jemand beim Kacken zuschaut?
Warum, habt ihr etwa Geheimnisse?
Sehr verdächtig!
Vielleicht habt ihr ja Sprengstoff auf dem Klo versteckt oder eine alte Pistole im Lüftungsschacht!
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Abends geht ihr noch zum Sport.
Immer ist der Fremde dabei, in der Umkleide, in der Turnhalle.
Immer, wenn ihr euch mit jemandem unterhaltet, holt er sein kleines Notizblöckchen hervor und schreibt auf, was ihr sagt.
Wenn er etwas nicht versteht, sagt er: „Moment, könnten Sie das bitte nochmal wiederholen?“
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Seid ihr immer noch sicher, daß ihr nichts zu verbergen habt?
Also könnte euch von morgens bis abends auf Schritt und Tritt ein Fremder begleiten und ihr hättet nichts dagegen?
Dann seid ihr geisteskrank.
Vielleicht aber auch nur Heuchler, darum machen wir nun die ultimative Probe.
Ihr habt also wirklich nichts dagegen, wenn jeder in eurem Privatleben herumschnüffeln darf?
Gut.
Dann hätte ich gerne von euch:
a) alle emails der letzten drei Monate
b) alle SMS der letzten drei Monate
c) ein Protokoll aller Telefongespräche, die ihr die letzten drei Monate geführt habt
d) eure Kontoauszüge mit Begründung der jeweiligen Transaktion
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Wie jetzt, das wollt ihr mir nicht geben?
Denkt dran: keine Geheimnisse, das macht euch nur zu „Terror-Verdächtigen“!
Vielleicht werdet ihr jetzt sagen:
„Hey, Du bist ein völlig Fremder!
Was gehen Dich meine Telefongespräche, meine emails und meine Ausgaben an?!“
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Damit seid ihr schon einmal auf dem richtigen Weg.
Ihr habt nämlich völlig Recht: all das geht einen Fremden überhaupt nichts an.
Und wo ist jetzt der Unterschied, ob ich eure emails lese oder ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes?
Ich bin für euch ein Fremder, aber der Mitarbeiter des Verfassungsschutzes ist doch auch ein Fremder, oder?
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Vielleicht werdet ihr jetzt sagen: „Aber beim Staat ist es etwas anderes, die sind zur Geheimhaltung verpflichtet, die treiben mit meinen Daten schon keinen Missbrauch!“
Gut, das kann ich auch.
Ich gebe euch mein Wort, daß ich nichts weiter erzählen werde.
Und, bekomme ich jetzt bitte eure Daten?
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Ja?
Dann seid ihr schön doof!
Ich bin nämlich immer noch ein Fremder.
Ich habe immer noch kein Recht, in eurem Privatleben herumzuschnüffeln.
Ob ich es weiter erzähle oder nicht, hat doch an diesem ersten Fakt überhaupt nichts geändert!
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Und abgesehen davon: woher wollt ihr wissen, daß diese Leute euch nicht anlügen!
Ich kann euch viel erzählen!
Was die „Nicht-Abhör-Versprechen“ von Christen wert sind, haben wir ja bei NSA etc. gesehen.
Der Verfassungsschutz hört keine Deutschen ab, das macht dann die NSA und die deutschen Behörden bekommen Zugriff auf die Daten.
Bzw. umgekehrt hört der BND die Amerikaner ab und die amerikanischen Behörden bekommen Zugriff auf die Daten.
So kann sowohl die amerikanische als auch die deutsche Regierung sich vor ihr jeweiliges Volk stellen und wahrheitsgemäß sagen, daß sie das eigene Volk nicht direkt ausspioniert haben.
Sondern nur über Bande.
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Wer also allen Ernstes den Überwachungsstaat für eine „tolle Sache“ hält und sich von dem Versprechen des Staates, mit den Daten „verantwortungsvoll“ umzugehen einlullen lässt, ist schon verdammt dumm.
Privatsphäre ist ein Menschenrecht, aber die christlichen Faschisten hassen eben alles, was ihnen gefährlich werden könnte.
Und um endgültig wach zu werden, empfehle ich euch mal einen Politiker, zum Beispiel den BT-Abgeordneten eures Wahlkreises, zu fragen,
was er die letzte Woche so gemacht hat,
mit wem er die letzte Zeit telefoniert hat und
ob ihr mal einen Blick auf seine Konten und seine email-Accounts werfen dürft.
Was glaubt ihr, wird euch dieser Politiker sagen?
Dasselbe, was jeder gesunde Menschen einem sagen wird:
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„Das geht Sie einen Scheißdreck an!“

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Dabei ist der Witz, daß der Politiker als mein Vertreter mir eigentlich eher zur Rechenschaft verpflichtet ist, als ich ihm gegenüber, denn er soll schließlich MEINE Interessen vertreten!
Wie soll ich wissen, ob er meine Interessen vertritt, wenn er mir gegenüber geheimhält, was er macht?
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LG, killerbee


Quelle: https://killerbeesagt.wordpress.com/2017/06/18/privatsphaere-nichts-zu-verbergen/